Sonntag, 10. Dezember 2017

Sinn-freies Plätzchenbacken: Über Glühweinschnittchen und Zufriedenheit

Klingklangklong! Da poltert doch pünktlich zum zweiten Advent etwas durch die verrosteten Datenbahnen dieses Blogs. Ein glücklicher Zufall führte nämlich Micha vom wunderbaren Blog Grain de Sel und mich an einem schönen und schön verregneten Sonntag endlich wieder live und in Farbe zusammen - und das auch noch in meiner geliebten Heimatstadt Freiburg. Ich habe mich so gefreut! Wir plauderten über das Universum und die Welt und eigentlich nur ganz am Rande vom Bloggen. Als aber die Einladung zu ihrer Plätzchenbackaktion „Sinn-freies Plätzchenbacken“ kam und sie auch noch was von wegen Plätzchen als Steigbügelhalter fürs Blog-Pony sagte, da konnte und wollte ich als altes Pferdemädchen und Plätzchenjunkie eigentlich kaum anders, als mich wieder in den Sattel zu schwingen. ... fragt sich nur, wie lange ich mich oben halte. Aber jetzt erstmal hü, Fury!


Sinn-freies Plätzchenbacken also - dafür mit dem Hintergedanken, sich vor Augen zu führen, ob man in Weihnachten überhaupt einen Sinn sieht und was man damit verbindet. Es ist lustig, tatsächlich habe ich mir diese Frage noch nie wirklich gestellt und dennoch fällt es mir kaum schwer, sie zu beantworten. Weihnachten ist für mich eine Zeit der Konservierung und Zufriedenheit. Nicht, was meine geschätzen kulinarikaffinen Leserinnen und Leser jetzt vielleicht denken (Einmachgläschen mit lecker Zeugs plündern und so, so dass man zufrieden und einer Todsünde schuldig in Fressnarkose auf dem Sofa erstarrt). Es ist vielmehr die Konservierung von Erinnerungen, Gefühlen, Gerüchen und die Besinnung auf das Wesentliche, das man hat und das einen mit Zufriedenheit erfüllt. Denn: Ich neige in meinem zarten Alter quasi kurz nach der Pubertät und kurz vor der Midlife-Crisis tatsächlich ab und an schon zu einem Hauch „Früher war alles besser“-Geplänkel. Ja, so eine bin ich. Früher, als man noch dachte, man sehe das Christkind tatsächlich, wenn man nur lange genug zwischen den dampfenden Schornsteinen in den weißen Schneehimmel schaute, während die Kälte ein Geflecht aus Eisblumen in die zarten Lungengefäße zauberte. Früher, als der Geruch von Tannengrün, Schwefelhölzern und Bienenwachs einen ganz trunken machte, während man im Akkord mit kleinen Speckhändchen und roten Backen Weihnachtssterne aus Goldfolie ausschnitt. Früher, als das beständige, tief verwurzelte und warme Alte noch nicht mit dem schnelllebigen, reizüberflutenden und schrillen Neuen konkurrierte. Und früher, als eben Zufriedenheit offenbar noch einen anderen Stellenwert hatte.

Heute möchten alle mindestens glücklich sein, mit sich im Reinen, top-entspannt und kerngesund und merken dabei oft nicht, wie auch durch diese zwar durchweg positiv geprägten Ansprüche das Leben dennoch in Superlative gelenkt wird. Zufriedenheit kommt im Gegenzug nun recht schnöde daher. Wer will schon nur zufrieden sein, wenn er auch überschäumen kann vor Glück oder die Aussicht auf das perfekte Leben hat? Ich schätze, Zufriedenheit ist für viele vergleichbar mit der Zeugnisnote 3, befriedigend also, nicht wirklich der Reißer aber man muss auch nicht darben. Deswegen ist das Streben nach mehr zu einem wahren Volkssport geworden. Meine Oma, die tatsächlich sehr alt geworden ist, sagte immer, Zufriedenheit sei das Wichtigste. Und Gesundheit. Aber Zufriedenheit noch ein bisschen mehr, denn es sei besser, wenn man krank und zufrieden ist, als gesund und unzufrieden.

Für mich bedeutet Zufriedensein wunschlos zu sein (grundsätzlich meine ich, wir reden hier nicht von Pferden und Küchenutensilien). Zu- und im Frieden mit mir selbst und mit anderen. In der Weihnachtszeit lasse ich also das Jahr Revue passieren und sortiere mich und meine Gedanken. Ich trete auf die Bremse, lasse meine Nerven zur Ruhe kommen, wie es die Natur unter einer dichten Schneedecke tut. Ich mache mir bewusst, worüber ich mich glücklich schätzen kann, denn ja, im Zufriedensein ist Glück für mich schon enthalten. Und ich versuche Dinge, die ich nicht ändern oder beeinflussen kann, anzunehmen. Klingt ein bisschen eso? Ich verhexe euch gleich! Und ja, sicher könnte/sollte man das ja eigentlich das ganze Jahr über tun, es ist quasi wie mit den Silvestervorsätzen. Aber hey, mit Weihnachtsplätzchen und dem nicht zu unterschätzenden Weihnachtsgemütlichkeitsfaktor im Rücken klappt es mit Resümee und Besinnung doch wie geschmiert.

Wenn ich heute manchmal an eiskalten Winterabenden nach Hause laufe und rieche den Rauch aus den Schornsteinen, ist es, als treffe ich einen alten Bekannten, der den Rest des Weges mit mir geht. Ich sehe dann mein kleines Mädchen an und freue mich, nach Hause zu kommen - mit rot glühenden Backen, wohlig erschauernd, wenn die durchfrorenen Glieder nach und nach wieder auftauen. Dann zünden wir die Adventskerzen an, riechen Tannengrün und den aufsteigenden Rauch der erlöschenden Streichhölzer und basteln Weihnachtssterne. Dann bin ich zufrieden.



Jetzt zum Rezept: Diese Glühweinschnittchen backe ich seit Jahren und ich weiß gar nicht mehr, woher das Rezept ursprünglich stammt. Fakt ist: Ich werde quasi von Familie und Freunden gezwungen, sie zu backen. Rücke ich "aus Versehen" mit anderen Plätzchen an, gibt´s lange Gesichter. Es gibt einige ganz ähnliche Rezepte, mein erprobtes und (natürlich) das beste (eh klar!) überhaupt (und sowieso) ist aber das folgende. Äußerst praktisch: Die Schnittchen könnt ihr ja so groß schneiden, wie ihr möchtet, sie gehen also notfalls auch mal als „Stück Kuchen“ durch und ihr habt ein schnelles, gelingsicheres Rezept für die adventliche Kaffeetafel. Und für die Hipster unter euch: Eine Freundin bezeichnete die Schnittchen wegen ihrer Form neulich als "nicer Geometrie-Shizzle", just saying. Die Schnittchen halten sich luftdicht verpackt übrigens obwohl sie so „kuchig“ sind locker 10 Tage. 

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Hier kommt das Rezept für etwa 80 Glühweinschnittchen

125 ml Glühwein
150 g Zartbitter-Schokolade
300 g Mehl
2 TL Backpulver
200 g Butter
160 g Zucker
1 Pk. Vanillezucker
3 Eier
200 g Puderzucker

Backofen auf 200 Grad vorheizen. Ein Blech mit Backpapier auslegen. Vom Glühwein 4 EL abnehmen und für den Guss beiseite stellen. Schokolade raspeln oder etwas feiner als grob hacken.
Mehl und Backpulver sieben und miteinander vermischen. Butter, Zucker, Vanillezucker, Eier und Glühwein zufügen und mit dem Handrührer alles zu einem glatten Teig verrühren. Schokoladenstückchen unterheben. Den Teig gleichmäßig auf dem Backblech verteilen und etwa 25 Minuten im Ofen backen, bis die Oberfläche leicht bräunt. Etwas abkühlen lassen. Den Puderzucker mit 4 EL Glühwein verrühren und die Glasur gleichmäßig überziehen. Wenn die Glasur fest ist, die Teigplatte in kleine Dreiecke schneiden.
Um zu vermeiden, dass die Glasur Risse bekommt, hebe ich den ganzen „Kuchen“ mitsamt Backpapier aus der Form und lege ihn auf eine schnittfeste Unterlage, bevor ich den Guss überziehe. 


 
Mit mir backen heute noch folgende Damen sinn-frei, es war mir eine Ehre, mit in diesem schönen Reigen zu sein:

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Christina von *Feines Gemüse*
Julia von *Chestnut & Sage*
Fee von *Fee ist mein Name*
Juliane von *Schöner Tag noch*
Stephanie von *Stepanini*
*Miss Boulette*
Maret von *Buddenbohm & Söhne*
und natürlich Micha von *Grain de Sel

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In Anbetracht meiner welthöchsten Veröffentlichungsquote in den letzten beiden Jahren, was meine Artikel betrifft, werden wir uns wohl erst im nächsten Jahr wieder lesen. Wenn Fury brav bleibt. Habt eine gemütliche Weihnachtszeit!